Kurz notiert
Landgericht München I
Bilder ehemailiger Stasi-IMB im Internet - Veröffentlichung eines historischen Bildokuments im historischen Zusammenhang auch unter Namensnennung der abgebildeten Personen zulässig.
LG München I, Urteil vom 15.04.2009 - Az. 9 O 1277/09; nrk
MIR 2009, Dok. 087, Rz. 1
1
Ein ehemaliger so genannter "Informeller Mitarbeiter Beobachtung" (auch: "Inoffzieller Mitarbeiter Beobachtung"; kurz: IMB) der Stasi hat
hinzunehmen, dass im Zusammenhang mit einem historischen Ereignis durch entsprechendes Bildmaterial und
auch unter Namensnennung über ihn berichtet wird. Dies entschied das Landgericht München I mit Urteil vom 15.04.2009 (Az. 9 O 1277/09).
Zur Sache
Der Kläger war 1981 vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR unter Androhung eines Ermittlungsverfahrens sowie einer Gefängnisstrafe wegen seiner Kenntnis von illegalen Antiquitätenverkäufen nach Westberlin als informeller Mitarbeiter (IM) angeworben worden (sog. "Druckwerbung"). Seit 1989 war der Kläger als so genannter "IMB" tätig, wurde also über die Informationsbeschaffung hinaus an operativen Vorgängen beteiligt; etwa zur Zersetzung, Zerschlagung oder Zurückdrängung von "Feinden" eingesetzt.
Der Beklagte berichtet auf seiner Internetseite über die Aktivitäten der Staatssicherheit in und um Erfurt. Dabei ist auch ein Foto veröffentlicht, auf dem ein Militärstaatsanwalt im Dezember 1989 Räumlichkeiten des Ministeriums für Staatssicherheit versiegelt. Auf diesem Foto ist auch der Kläger zu sehen. Neben dem Bild stehen Namen und Funktion (IMB) des Klägers. Das wollte der Kläger verbieten lassen. Da er im Staatsapparat der DDR weder ein Amt bekleidet noch eine sonstige Position des öffentlichen Lebens ausgefüllt habe, müsse das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinter seinen berechtigten Interessen zurücktreten.
Entscheidung des Gerichts: Die Veröffentlichung eines historischen Bildokuments im Internet kann im historischen Zusammenhang auch unter Namensnennung der abgebildeten Personen zulässig sein
Anders die Ansicht des LG München I. Es handele sich um ein historisches Bilddokument, auf dem der Kläger zu sehen ist. Als "IMB" hebe sich der Kläger durchaus von anderen informellen Mitarbeitern oder gar der übrigen Bevölkerung der DDR ab und sei insoweit sehr wohl exponiert.
"Vor diesem Hintergrund muss das grundsätzlich anerkennenswerte Interesse des Klägers an Anonymität ... hinter die durch die allgemeine Meinungsfreiheit, die Informationsfreiheit und die Wissenschaftsfreiheit geschützten Interessen des Beklagten zurücktreten. Die Aufarbeitung historischer Ereignisse und die Ermittlung der geschichtlichen Wahrheit, wie sie unabdingbare Voraussetzung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und eines jeden freien und pluralistischen Gemeinwesens sind, würden in nicht hinnehmbarem Maße zurückgedrängt, wenn über historische und geschichtlich bedeutsame Ereignisse nicht voll umfänglich berichtet werden dürfte. Dies schließt die Veröffentlichung von Bildern und – soweit Personen sprichwörtlich Geschichte machen – Bildnissen mit ein. Im vorliegenden Fall ist es gerade auch nicht so, dass die Person des Klägers für die historische Aufarbeitung irrelevant wäre, so dass sein Recht auf Anonymität die Publikationsinteressen des Beklagten und die Informationsinteressen der Allgemeinheit überwiegen würde: Gerade die Besonderheit des Augenblicks und die "Funktion", die der Kläger seinerzeit eingenommen hatte, lassen die Veröffentlichung seines Bildnisses als gerechtfertigt erscheinen."
Historische Fotos dürfen grundsätzlich auch "betitelt" werden
Gleiches gelte auch für die Namensnennung: Das historische Foto darf nicht nur gezeigt werden, auch die abgebildeten Personen dürfen benannt werden.
(tg) - Quelle: PM des LG München I Nr. 19/09
Zur Sache
Der Kläger war 1981 vom Ministerium für Staatssicherheit der DDR unter Androhung eines Ermittlungsverfahrens sowie einer Gefängnisstrafe wegen seiner Kenntnis von illegalen Antiquitätenverkäufen nach Westberlin als informeller Mitarbeiter (IM) angeworben worden (sog. "Druckwerbung"). Seit 1989 war der Kläger als so genannter "IMB" tätig, wurde also über die Informationsbeschaffung hinaus an operativen Vorgängen beteiligt; etwa zur Zersetzung, Zerschlagung oder Zurückdrängung von "Feinden" eingesetzt.
Der Beklagte berichtet auf seiner Internetseite über die Aktivitäten der Staatssicherheit in und um Erfurt. Dabei ist auch ein Foto veröffentlicht, auf dem ein Militärstaatsanwalt im Dezember 1989 Räumlichkeiten des Ministeriums für Staatssicherheit versiegelt. Auf diesem Foto ist auch der Kläger zu sehen. Neben dem Bild stehen Namen und Funktion (IMB) des Klägers. Das wollte der Kläger verbieten lassen. Da er im Staatsapparat der DDR weder ein Amt bekleidet noch eine sonstige Position des öffentlichen Lebens ausgefüllt habe, müsse das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hinter seinen berechtigten Interessen zurücktreten.
Entscheidung des Gerichts: Die Veröffentlichung eines historischen Bildokuments im Internet kann im historischen Zusammenhang auch unter Namensnennung der abgebildeten Personen zulässig sein
Anders die Ansicht des LG München I. Es handele sich um ein historisches Bilddokument, auf dem der Kläger zu sehen ist. Als "IMB" hebe sich der Kläger durchaus von anderen informellen Mitarbeitern oder gar der übrigen Bevölkerung der DDR ab und sei insoweit sehr wohl exponiert.
"Vor diesem Hintergrund muss das grundsätzlich anerkennenswerte Interesse des Klägers an Anonymität ... hinter die durch die allgemeine Meinungsfreiheit, die Informationsfreiheit und die Wissenschaftsfreiheit geschützten Interessen des Beklagten zurücktreten. Die Aufarbeitung historischer Ereignisse und die Ermittlung der geschichtlichen Wahrheit, wie sie unabdingbare Voraussetzung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und eines jeden freien und pluralistischen Gemeinwesens sind, würden in nicht hinnehmbarem Maße zurückgedrängt, wenn über historische und geschichtlich bedeutsame Ereignisse nicht voll umfänglich berichtet werden dürfte. Dies schließt die Veröffentlichung von Bildern und – soweit Personen sprichwörtlich Geschichte machen – Bildnissen mit ein. Im vorliegenden Fall ist es gerade auch nicht so, dass die Person des Klägers für die historische Aufarbeitung irrelevant wäre, so dass sein Recht auf Anonymität die Publikationsinteressen des Beklagten und die Informationsinteressen der Allgemeinheit überwiegen würde: Gerade die Besonderheit des Augenblicks und die "Funktion", die der Kläger seinerzeit eingenommen hatte, lassen die Veröffentlichung seines Bildnisses als gerechtfertigt erscheinen."
Historische Fotos dürfen grundsätzlich auch "betitelt" werden
Gleiches gelte auch für die Namensnennung: Das historische Foto darf nicht nur gezeigt werden, auch die abgebildeten Personen dürfen benannt werden.
(tg) - Quelle: PM des LG München I Nr. 19/09
Online seit: 15.04.2009
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