Rechtsprechung
LG Potsdam, Urteil vom 21.11.2008 - 1 O 175/08
"Recht am Bild der eigenen Sachen" - Zur Frage der Eigentumsbeeinträchtigung durch Fotoaufnahmen von im fremden Eigentum stehender Gebäude, deren gewerblicher Verwertung und zur Haftung eines Bildportals für solche Rechtsverletzungen.
BGB §§ 823 Abs. 1, 903 Satz 1, 1004 Abs. 1 Satz 2; UrhG § 59; TMG §§ 2 Satz 1 Nr. 1, 7 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2; GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2
Leitsätze:*1. Soweit Fotografien eines im Privateigentum stehenden Gebäudes nur angefertigt werden können, wenn ein dem Eigentümer
gehörendes Grundstück betreten wird, steht es dem Eigentümer grundsätzlich frei, den
Zutritt zu verbieten oder nur unter der Bedingung zu gewähren, dass dort nicht fotografiert wird
(vgl. BGH NJW 1975, 778 - "Schloss Tegel"). Für eine Eigentumsbeeinträchtigung ist insofern
eine Einwirkung auf die Sachsubstanz nicht erforderlich, es genügt der Eingriff in die Nutzungszuweisung, d.h. dem Recht des
Eigentümers, mit der Sache nach Belieben zu verfahren (§ 903 BGB).
2. Nicht erst die gewerbliche Verwertung von Foto- und/oder Filmaufnahmen im fremden Eigentum stehender Gebäude stellt eine
Eigentumsbeeinträchtigung dar. Diese liegt bereits in der Fertigung von Aufnahmen ohne Genehmigung des Eigentümers.
3. Eine stillschweigende Einschränkung auf Aufnahmen nur für private Zwecke ergibt sich in der Regel auch im Fall einer
allgemeinen Fotografiererlaubnis. Auch ohne ein ausdrückliches Verbot kann nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass
der Eigentümer gewillt ist, die - gewerbliche - Verwertung von Aufnahmen seines Eigentums ohne Entgelt zu gestatten
(vgl. hierzu: BGH NJW 1975, 778 - "Schloss Tegel"; KG Berlin OLGE 20, 402).
4. Für die Frage, ob der Eigentümer eines Gebäudes Foto- und/oder Filmaufnahmen, die zu gewerblichen Zwecken gefertigt werden,
untersagen kann, kommt dem Standort, von dem aus die Aufnahmen gemacht werden entscheidende Bedeutung zu. Erfolgen die Aufnahmen
von einer allgemein zugänglichen Stelle aus und ohne Betreten des Grundstücks, hat der Eigentümer diese grundsätzlich hinzunehmen
(vgl. hierzu auch: BGH NJW 1989, 2251 - "Friesenhaus"; BGH NJW 1975, 778 - "Schloss Tegel").
5. § 59 UrhG hat keinen Einfluss auf das zivilrechtliche Eigentum an dem Werk. Der Schrankenregelung des § 59 UrhG unterliegt nur
das Urheberrecht, nicht dagegen das Eigentumsrecht an der Werkverkörperung. Wird ein urheberrechtlich geschütztes Bauwerk nur
durch Betreten des Grundstück sichtbar, greift § 59 UrhG nicht ein, weil es sich nicht um ein Werk an öffentlichen
Plätzen i.S.v. § 59 UrhG und damit nicht um einen Fall der Freiheit des Straßenbildes (sog. Panoramafreiheit) handelt.
6. Der Betreiber eines Bildportals, über das Fotos Dritter entgeltpflichtig zum Download angeboten werden, kann sich solche fremden Inhalte
zu eigen machen, wenn sich dies nach dem objektiven Empfängerhorizont eines verständigen Durchschnittsnutzers - etwa aus dem
erweckten äußeren Anschein des Internetangebots oder den Allgemeinen Geschäftsbedingungen - ergibt.
Der Betreiber ist dann für diese Informationen nach § 7 Abs. 1 TMG verantwortlich. Jedenfalls kommt für einen Unterlassungsanspruch die
(Mit-) Störerhaftung des Portalbetreibers in Betracht (§ 7 Abs. 2 Satz 2 TMG).
7. Der Betreiber eines Bildportals, dessen Tätigkeit sich auf das Bereitstellen von Fotografien für jedermann beschränkt, kann sich nicht
auf die Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 berufen. Allein der Umstand, dass unter den Kunden Journalisten und Verlage sind, die
dort erworbene Bilder im Rahmen ihrer Pressetätigkeit nutzen, bedeutet noch keinen organisatorischen und/oder funktionalen Pressebezug
der Tätigkeit (vgl. dazu: BGH NJW 1988, 1833).
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 21.01.2009
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1858
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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