Rechtsprechung
LG Köln, Urteil vom 28.05.2008 - 28 O 157/08
E-Mails sind "verschlossene Briefe"?! - Die Veröffentlichung - privater bzw. persönlicher - E-Mails kann einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Absenders/Betroffenen in Gestalt der Geheimsphäre darstellen.
BGB §§ 823 Abs. 1, 1004; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Leitsätze:*1. Im Fall der Verletzung von Immaterialgüterrechten, die als absolute Rechte auch nach §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB
Schutz genießen, sind die Grundsätze der Störerhaftung uneingeschränkt anzuwenden (
BGH, Urteil vom 19.04.2007 - Az. I ZR 35/04 - Internetversteigerung II =
MIR 2007, Dok. 246).
2. Dem Betreiber eines Internetforums (hier gegenständlich war ein Web-Blog) ist nicht zuzumuten, jeden Bericht
(Eintrag) vor Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen.
Eine Beseitigungspflicht (rechtswidriger Inhalte Dritter) trifft den Betreiber aber immer dann, wenn er auf
eine klare Rechtsverletzung hingewiesen worden ist.
3. Die Veröffentlichung - privater bzw. persönlicher - E-Mails kann einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht
des Absenders/Betroffenen in Gestalt der Geheimsphäre darstellen. Hierbei betrifft die Geheimsphäre den Bereich des menschlichen
Lebens, der der Öffentlichkeit bei verständiger Würdigung nicht preisgegeben werden soll. In diesen Bereich fallen
schriftliche sowie Tonbandaufzeichnungen, persönliche Briefe, aber auch solche Aufzeichnungen und Briefe die berufliche
oder geschäftliche Fragen betreffen, insbesondere persönliche Aufzeichnungen zu beruflichen oder geschäftlichen
Erlebnissen oder Planungen.
4. Mit dem Versenden einer E-Mail verlässt der Absender grundsätzlich nicht den heimischen Bereich und begibt sich nicht in eine
allgemeine Sphäre. Dies kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn der Absender die E-Mail an einen nicht abgegrenzten
Personenkreis richtet und versendet; nicht aber im Fall einer an eine Person gerichteten und versandten E-Mail.
5. Eine persönliche, an eine bestimmte Person gerichtete E-Mail ist vergleichbar mit einem verschlossenen Brief, der durch
das Absenden nicht aus der Geheimsphäre entlassen wird und bei dem der Absender - anders als im Fall einer Postkarte -
auch nicht damit rechnen muss, dass Dritte von seinem Inhalt Kenntnis nehmen.
6. Wegen der Schwierigkeit des Negativbeweises kann vom Prozessgegner (hier: Verfügungsbeklagter) nach den Grundsätzen
der sekundären Darlegungslast verlangt werden, eine negative Tatsache unter Darlegung der für das Positive sprechenden
Tatsachen und Umstände substantiiert zu bestreiten (vgl. BGH NJW-RR 1993, 746; hier: Übertragung der - presserechtlichen -
Verantwortlichkeit durch den Verfügungsbeklagten auf Dritte).
7. Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht handelt es sich um einen so genannten "offenen Tatbestand", bei
dem die Widerrechtlichkeit nicht indiziert wird, sondern positiv festzustellen ist.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 24.09.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1756
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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