Kurz notiert
Bundesgerichtshof
Unternehmen dürfen für Abmahnung Anwälte einschalten - Kosten für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen auch bei Unterhaltung eigener Rechtsabteilung ersatzfähig
BGH, Urteil vom 8.05.2008 - Az. I ZR 83/06 - Abmahnkostenersatz; Vorinstanzen: OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 9.02.2006 - Az. 9 U 94/05; LG Frankfurt a.M., Urteil vom 13.05.2005 - Az. 3/11 O 158/04
MIR 2008, Dok. 148, Rz. 1
1
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 08.05.2008 entschieden, dass in der Regel im Zuge einer Abmahnung auch die Anwaltskosten des Abmahnenden
ersetzt werden müssen, wenn es sich bei diesem um ein Unternehmen handelt, dass eine eigene Rechtsabteilung unterhält.
Zur Sache
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Telekommunikationsdienstleistungen. Zwei Werber der Beklagten hatten versucht, eine Kundin der Klägerin, der Deutschen Telekom AG, für die Beklagte zu gewinnen, und hatten dabei irreführende Behauptungen aufgestellt. Obwohl die Deutsche Telekom AG eine eigene Rechtsabteilung unterhält, hatte sie die Beklagte durch ein Rechtsanwaltsbüro abmahnen lassen. Da die Beklagte keine Unterlassungserklärung abgab, erwirkte die Klägerin eine einstweilige Verfügung, die die Beklagte schließlich als endgültige Regelung anerkannte. Soweit die Anwaltskosten durch das Gerichtsverfahren veranlasst waren, mussten sie ohnehin von der Beklagten getragen werden. Im Streit waren deswegen nur noch die durch die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten.
Das Landgericht und das Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben und sich dabei auf eine Bestimmung im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestützt, die dem Abmahnenden einen Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen gibt. Auch wenn der Wettbewerbsverstoß klar auf der Hand gelegen sei, habe die Klägerin die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten dürfen.
Entscheidung des BGH: Tatsächliche Organisation des abmahnenden Unternehmens ausschlaggebend
Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung der Vorinstanzen bestätigt. Auszugehen sei von der tatsächlichen Organisation des abmahnenden Unternehmens.
Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehört nicht zu den originären Aufgaben eines gewerblichen Unternehmens und dessen Rechtsabteilung
Ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung sei nicht gehalten, die eigenen Juristen zur Überprüfung von Wettbewerbshandlungen der Mitbewerber einzusetzen und gegebenenfalls Abmahnungen auszusprechen. Die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehöre nicht zu den originären Aufgaben eines gewerblichen Unternehmens. Deswegen sei es nicht zu beanstanden, wenn ein Unternehmen wie die Deutsche Telekom AG sich für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen der Anwälte bediene, mit denen es auch sonst in derartigen Angelegenheiten zusammenarbeite.
(tg) - Quelle: PM des BGH Nr. 93/2008 vom 09.05.2008
Zur Sache
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Telekommunikationsdienstleistungen. Zwei Werber der Beklagten hatten versucht, eine Kundin der Klägerin, der Deutschen Telekom AG, für die Beklagte zu gewinnen, und hatten dabei irreführende Behauptungen aufgestellt. Obwohl die Deutsche Telekom AG eine eigene Rechtsabteilung unterhält, hatte sie die Beklagte durch ein Rechtsanwaltsbüro abmahnen lassen. Da die Beklagte keine Unterlassungserklärung abgab, erwirkte die Klägerin eine einstweilige Verfügung, die die Beklagte schließlich als endgültige Regelung anerkannte. Soweit die Anwaltskosten durch das Gerichtsverfahren veranlasst waren, mussten sie ohnehin von der Beklagten getragen werden. Im Streit waren deswegen nur noch die durch die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten.
Das Landgericht und das Berufungsgericht haben der Klage stattgegeben und sich dabei auf eine Bestimmung im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestützt, die dem Abmahnenden einen Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen gibt. Auch wenn der Wettbewerbsverstoß klar auf der Hand gelegen sei, habe die Klägerin die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten dürfen.
Entscheidung des BGH: Tatsächliche Organisation des abmahnenden Unternehmens ausschlaggebend
Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung der Vorinstanzen bestätigt. Auszugehen sei von der tatsächlichen Organisation des abmahnenden Unternehmens.
Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehört nicht zu den originären Aufgaben eines gewerblichen Unternehmens und dessen Rechtsabteilung
Ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung sei nicht gehalten, die eigenen Juristen zur Überprüfung von Wettbewerbshandlungen der Mitbewerber einzusetzen und gegebenenfalls Abmahnungen auszusprechen. Die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehöre nicht zu den originären Aufgaben eines gewerblichen Unternehmens. Deswegen sei es nicht zu beanstanden, wenn ein Unternehmen wie die Deutsche Telekom AG sich für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen der Anwälte bediene, mit denen es auch sonst in derartigen Angelegenheiten zusammenarbeite.
(tg) - Quelle: PM des BGH Nr. 93/2008 vom 09.05.2008
Online seit: 09.05.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1613
// Artikel gesammelt "frei Haus"? Hier den MIR-Newsletter abonnieren
Was Sie noch interessieren könnte...
Sharehosting und Video-Sharing-Plattformen - Sieben Entscheidungen zur Haftung von "YouTube" und "uploaded" für Urheberrechtsverletzungen
Bundesgerichtshof, MIR 2022, Dok. 041
"TOP-Angebot" auf autoscout24 - Irreführung durch ein Gebrauchtwagenangebot, das wegen einer irrtümliche Angabe von einem Algorithmus fehlerhaft gekennzeichnet wird
OLG Köln, Beschluss vom 09.03.2020 - 6 W 25/20, MIR 2020, Dok. 032
Rückrufsystem II - Kontaktmöglichkeiten und Rückrufservice von Amazon genügen den Informationspflichten gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 4 Abs. 1 EGBGB
BGH, Urteil vom 19.12.2019 - I ZR 163/16, MIR 2020, Dok. 035
Preisnachlass oder UVP - Zur Irreführung bei einer Werbung mit einer eigenen unverbindlichen Preisempfehlung
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 28.06.2022 - 6 W 30/22, MIR 2022, Dok. 051
Wikingerhof - Zuständigkeit deutscher Gerichte für eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage wegen Ausnutzung einer marktbeherrschende Stellung durch eine niederländische BV (booking.com)
EuGH, Urteil vom 24.11.2020 - C‑59/19, MIR 2020, Dok. 087
Bundesgerichtshof, MIR 2022, Dok. 041
"TOP-Angebot" auf autoscout24 - Irreführung durch ein Gebrauchtwagenangebot, das wegen einer irrtümliche Angabe von einem Algorithmus fehlerhaft gekennzeichnet wird
OLG Köln, Beschluss vom 09.03.2020 - 6 W 25/20, MIR 2020, Dok. 032
Rückrufsystem II - Kontaktmöglichkeiten und Rückrufservice von Amazon genügen den Informationspflichten gemäß Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und § 4 Abs. 1 EGBGB
BGH, Urteil vom 19.12.2019 - I ZR 163/16, MIR 2020, Dok. 035
Preisnachlass oder UVP - Zur Irreführung bei einer Werbung mit einer eigenen unverbindlichen Preisempfehlung
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 28.06.2022 - 6 W 30/22, MIR 2022, Dok. 051
Wikingerhof - Zuständigkeit deutscher Gerichte für eine wettbewerbsrechtliche Unterlassungsklage wegen Ausnutzung einer marktbeherrschende Stellung durch eine niederländische BV (booking.com)
EuGH, Urteil vom 24.11.2020 - C‑59/19, MIR 2020, Dok. 087