Rechtsprechung
EuGH, Urteil vom 17.04.2008 - C-456/06
Verletzung des urheberrechtlichen Verbreitungsrechts nur bei Eigentumsübertragung - Eine Verbreitung des Originals eines Werks oder eines Vervielfältigungsstücks davon an die Öffentlichkeit auf andere Weise als durch Verkauf liegt nur bei einer Übertragung des Eigentums vor.
Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.05.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte der Informationsgesellschaft Art. 4 Abs. 1; WCT-Vertrag Art. 6; WPPT-Vertrag Art. 8, Art. 12; UrhG §§ 16, 17
Leitsätze:*1. Der Begriff der Verbreitung in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist im Lichte des Völkerrechts (hier insbesondere: Art. 6 WCT-Vertrag und Art. 8, Art. 12 WPPT-Vertrag) auszulegen.
2. Art. 6 Abs. 1 des WCT Vertrags definiert den Begriff des Verbreitungsrechts der Urheber von Werken der Literatur und
Kunst als das ausschließliche Recht, zu erlauben, dass das Original und Vervielfältigungsstücke ihrer Werke
durch Verkauf oder "sonstige Eigentumsübertragung" der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Art. 8 und 12 des WPPT Vertrags für das Verbreitungsrecht der ausübenden Künstler und der Hersteller von Tonträgern
enthalten dieselbe Definition. Somit liegt nach den einschlägigen völkerrechtlichen Verträgen eine Verbreitung nur bei einer
Eigentumsübertragung vor. Wenn Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG in diesem Zusammenhang von einer Verbreitung "durch Verkauf
oder auf sonstige Weise" spricht, ist dieser Begriff im Einklang mit den genannten Verträgen als eine Form der Verbreitung, die
mit einer Eigentumsübertragung verbunden sein muss, auszulegen.
Dies ergibt sich auch zwingend aus den Regelungen der Art. 6 WCT-Vertrag und Art. 4 Richtlinie 2001/29/EG, welche die Erschöpfung
des Verbreitungsrechts für das Original oder für Vervielfältigungsstücke eines Werks beim Erstkauf oder bei einer anderen
erstmaligen Eigentumsübertragung vorsehen.
3. Unter den Begriff der Verbreitung des Originals eines Werks oder eines Vervielfältigungsstücks davon an die Öffentlichkeit
auf andere Weise als durch Verkauf im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG fallen nur Handlungen, die mit einer Ãœbertragung
des Eigentums an diesem Gegenstand verbunden sind.
4. Eine Verbreitung des Originals eines Werks oder eines Vervielfältigungsstücks davon an die Öffentlichkeit auf andere Weise als
durch Verkauf im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001
zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft
liegt nur bei einer Übertragung des Eigentums an diesem Gegenstand vor. Folglich stellen weder der bloße Umstand, dass
der Öffentlichkeit der Gebrauch von Werkstücken eines urheberrechtlich geschützten Werks ermöglicht wird, noch der Umstand,
dass diese Werkstücke öffentlich gezeigt werden, ohne dass die Möglichkeit zur Benutzung der Werkstücke eingeräumt wird,
eine solche Verbreitungsform dar.
Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 25.04.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1596
*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.
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