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Rechtsprechung



LG Bad Kreuznach, Urteil vom 30.01.2008 - 2 O 331/07

Phishing - Zum bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch der (überweisenden) Bank des Phishing-Opfers gegenüber dem Finanzagenten.

BGB §§ 166 Abs. 1, 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, §§ 818 Abs. 3, 819 Abs. 1, 823 Abs. 2; StGB § 263a

Leitsätze:*

1. Für einen Anspruch der Bank des Phishing-Opfers gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263a StGB gegen den sog. Finanzagenten ist erforderlich, dass die anspruchstellende Bank den Nachweis führt, der Finanzagent habe in bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit anderen Mittätern zu ihren Lasten oder zu Lasten ihres Kunden betrügerisch gehandelt.

2. Führt die Bank eines Phishing-Opfers eine Überweisung auf das Konto des Finanzagenten irrtümlich, d.h. ohne Anweisung ihres Kunden (hier: im Wege des Phishing), aus, liegt in der Gutschrift auf dem Konto des Finanzagenten keine Leistung des Kunden (Phishing-Opfer) gegenüber dem Finanzagenten im Anweisungsverhältnis vor. Vielmehr handelt es sich bei der Gutschrift auf dem Konto des Finanzagenten um eine rechtsgrundlose Leistung i.S.d. § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB der Bank selbst.

3. Der Finanzagent kann sich dann nicht auf Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB berufen, wenn ihm der Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang der Leistung bekannt war und er daher verschärft gemäß §§ 819, 818 Abs. 4, 292, 989 BGB haftet.

4. Der Finanzagent muss sich die Kenntnis desjenigen, der die Zahlung auf seinem Konto veranlasst hat (Phishing-Täter) - entsprechend § 166 Abs. 1 BGB - zurechnen lassen. Denn derjenige, der sich, unabhängig von einem Vertretungsverhältnis, eines anderen bei der Erledigung bestimmter Angelegenheiten bedient, muss sich das in diesem Rahmen erlangte Wissen des anderen zurechnen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 25.03.1982 - Az. VII ZR 60/81). Ein solcher Fall liegt vor, wenn der Finanzagent den Phishing-Tätern (seinen Auftraggebern) die tatsächliche Möglichkeit einräumt, Zahlungen auf sein Konto zu veranlassen und sie damit in eigener Verantwortung betraut, gegenüber Dritten dergestalt in Erscheinung zu treten, dass diese Zahlungen auf das im Namen des Finanzagenten geführte Konto Zahlungen erbringen.

5. Eine Kenntnis vom Mangel des rechtlichen Grundes für die Veranlassung einer Gutschrift der Bank des Phishing-Opfers auf dem Konto des Finanzagenten kann sich bereits dann ergeben, wenn die zu Grunde liegenden Umstände zumindest ungewöhnlich sind und Anlass zu Misstrauen geben müssen bzw. der gesamte Vorgang so suspekt erscheint, dass sich ein redlich Denkender der Überzeugung der Rechtsgrundlosigkeit eingehender Zahlungen nicht verschlossen hätte.

6. Der Bereicherungsschuldner, der sich bewusst der Einsicht verschließt, dass eingehende Zahlungen rechtsgrundlos sein müssen, verdient ebenso wenig Schutz wie derjenige, der sich dieser Einsicht öffnet (BGH, Urteil vom 12.07.1996 - Az. V ZR 117/95). Das bewusste Sichverschließen ist einem bedingten Vorsatz gleichzusetzen.

MIR 2008, Dok. 072


Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: RA Thomas Gramespacher
Online seit: 05.03.2008
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1536

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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