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Rechtsprechung



Hanseatisches OLG, Beschluss vom 12.09.2007 - 5 W 129/07

Informationspflichten, Widerrufsbelehrung, Wertersatz & Co - Zu diversen rechtlichen Problematiken des Fernabsatzhandels im Rahmen einer Internethandelsplattform wie eBay.

BGB §§ 312c Abs. 1 Satz 1, UWG §§ 3, 4 Nr. 11, § 5; BGB-InfoV § 1 Abs. 1 Nr. 10; PAngV § 1 Abs. 6 Satz 2

Leitsätze:*

1. Bei den Informationspflichten gemäß § 312c Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit der BGB-InfoV handelt es sich um Rechtsnormen, die im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG auch dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Dies sind solche Normen, deren Beachtung sich im Markt, d.h. zum Zeitpunkt der Nachfrageentscheidung des Verbrauchers auswirken (Hanseatisches OLG, NJW 2007, 2264).

2. Mit der bloßen Abrufbarkeit der Widerrufsbelehrung in einer eBay-Auktion wird diese dem Verbraucher noch nicht im Sinne des § 355 Abs.2 S.1 BGB in Textform mitgeteilt. Der Vertrag kommt durch das Anbieten der Ware zur Versteigerung, welches ein verbindliches Verkaufsangebot des Verkäufers ist, nach Ablauf des Auktionszeitraums zwischen dem Anbieter und dem Höchstbietenden ohne weiteres Zutun zustande. Die sodann vorzunehmende Widerrufsbelehrung in Textform gemäß § 312c Abs.2 BGB gegenüber dem Verbraucher als Käufer erfolgt nach Vertragsschluss, so dass die Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs.2 S.2 BGB einen Monat beträgt.

3. Im Rahmen einer Internethandelsplattform wir eBay stellt auch ein sog. "Sofort-Kaufen"-Angebot ein bindendes Angebot des Verkäufers i.S.d. § 145 BGB dar, das von dem Käufer sofort angenommen werden kann. Eine Belehrung über das Widerrufsrecht in Textform wird auch in diesem Angebotsformat weder vor noch bei, sondern frühestens nach Vertragschluss dem Käufer mitgeteilt.

4. Die Belehrung über die Haftung des Verbrauchers für die Verschlechterung von Sachen nach Ausübung des Widerrufs- oder Rückgaberechts kann bei Fernabsatzverträgen über die Lieferung von Waren gemäß § 312c Abs. 2 Satz 1 Nr.2 BGB in Textform noch bis zur Lieferung der Ware an den Verbraucher erfolgen, da es sich insoweit um eine Spezialbestimmung des Fernabsatzrechts zum Zeitpunkt und zur Art und Weise der Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs handelt, die in ihrem Anwendungsbereich § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB vorgeht (Hanseatisches OLG, Beschluss vom 19.6.2007, Az. 5 W 92/07 = MIR 2007, Dok. 282).

5. Ein Klausel mit der Formulierung "Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" stellt zumindest keinen erheblichen Wettbewerbsverstoß dar (§ 3 UWG). Eine solche Klausel entspricht dem Mustertext für eine Widerrufsbelehrung gem. Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoV. Zwar ist dieser Mustertext insoweit unvollständig, als er § 312d Abs. 2 BGB nicht berücksichtigt, nachdem für den Fristbeginn bei der Lieferung von Waren im Fernabsatz nämlich zusätzlich erforderlich ist, dass die Ware beim Empfänger eingeht. Wenn aber die Klausel dem Mustertext des Gesetzgebers insoweit folgt - gleichwohl dieser unvollständig ist - wäre es eine Überspannung der Pflichten des Gewerbetreibenden, wenn man verlangen wollte, dass er in dem überaus komplizierten und verschachtelten Fernabsatzrecht klüger sein soll als der Gesetzgeber.

6. Ein Klausel, die postuliert, dass unfreie Pakete vom Verkäufer im Fall der Rücksendung im Rahmen der Ausübung des Widerrufsrecht durch den Verbraucher nicht angenommen werden, verstößt gegen §§ 312c Abs. 1 Satz 1 BGB; § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV und ist damit zugleich wettbewerbswidrig nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG. Nach § 357 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Unternehmer bei Ausübung des Widerrufs die Kosten der Rücksendung zu tragen, was bedeutet, dass der Verbraucher die Ware auch unfrei zurücksenden kann und auch nicht dazu verpflichtet ist, die Kosten vorzuschießen. Ein solcher Verstoß stellt auch nicht nur eine Bagatelle dar, da der Verbraucher durch die Rücksendekosten, die im Einzelfall nicht unerheblich sein können, durchaus davon abgehalten werden kann, von seinem gesetzlichen Widerrufsrecht gebrauch zu machen.

7. Der Hinweis darauf, dass der Preis für Waren, die im Wege des Fernabsatzes vertrieben werden, die Umsatzsteuer enthält, muss gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 PAngV dem Angebot oder der Werbung mit Preisen eindeutig zugeordnet sowie leicht erkennbar, deutlich lesbar oder sonst gut wahrnehmbar sein. Dazu gehört, dass sich der Preis und seine Bestandteile entweder in unmittelbarer Nähe zu der Werbung mit den Artikeln befindet oder der Nutzer jedenfalls in unmittelbarer räumlicher Nähe zu der Werbung unzweideutig zu dem Preis mit allen seinen Bestandteilen geführt wird (BGH NJW 2003, 3055, 3056 – Internet-Reservierungssystem; Hanseatisches OLG GRUR-RR 2005, 27,28 – Internetversandhandel). Die Unterbringung des Hinweises auf die Umsatzsteuer lediglich in den AGB eines Internetanbieters genügt nicht den Anforderungen der Preisangabenverordnung (Hanseatisches OLG, Urteil vom 14.2.2007, Az. 5 U 152/06 = MIR 2007, Dok. 316).

8. Wenn ein Verkäufer entgegen der Verkehrserwartung die Bindung an ein Angebot (hier: verbindliches Angebot im Rahmen von eBay-Auktionen bzw. "Sofort-Kaufen"-Angeboten) durch seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen wieder beseitigt, wirbt er mit seinem jeweiligen (eBay-) Angebot irreführend im Sinne des § 5 Abs.2 Nr.2 UWG über die Bedingungen, unter denen die Waren geliefert oder die Dienstleistungen erbracht werden. Denn zu den Bedingungen in diesem Sinne gehören nicht nur Liefer-, sondern auch Angebotsbedingungen.

9. Eine irreführende Werbung mit Selbstverständlichkeiten (hier: Die Übernahme der eBay-Gebühren durch den Verkäufer, was bereits aus den eBay-AGB verbindlich folgt) wird nicht dadurch gerechtfertigt, dass es Anbieter gibt, die Rechts- oder Vertragsbedingungen – hier die eBay-Bedingungen –, nicht beachten. Vielmehr wird der Verstoß noch verstärkt und kann nicht mehr als Bagatellverstoß i.S.d. § 3 UWG angesehen werden, wenn der Anbieter eine solche Werbung durch einen hervorgehobenen Hinweis (hier: animierte Grafik "Keine eBay-Gebühr") besonders herausstellt.

MIR 2007, Dok. 366


Anm. der Redaktion: Vgl. insbesondere zu Leitsatz 7 "Bundesgerichtshof - Informationspflichten im Fernabsatz", MIR 2007, Dok. 361 zur jüngeren Entscheidung des BGH (Urteil vom 4.10.2007 – Az. I ZR 22/05) betreffend dieser Thematik.
Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: Thomas Gramespacher
Online seit: 08.10.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1391

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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