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Rechtsprechung



Hanseatisches OLG, Urteil vom 15.08.2007 - 5 U 188/06

Störerhaftung eines Auslieferungsagenten - Im Rahmen der Störerhaftung ist für den Auslieferungsagenten eine allgemeine Prüfungspflicht dahingehend, ob die von ihm beförderte Ware verletzende Kennzeichen tragen, zu verneinen.

GMVO Art. 9 Abs. 1; ZPO § 91a, 93

Leitsätze:*

1. Im Rahmen der Störerhaftung des Spediteurs ist eine allgemeine Prüfungspflicht dahingehend, ob die von ihm beförderte Ware verletzende Kennzeichen tragen, zu verneinen. Sie ist auch einem bloßen Auslieferungsagenten nicht zuzumuten. Dies gilt jedenfalls, wenn es sich bei dem Umschlag von Waren im Umfang eines Massengeschäfts handelt und erst recht, wenn es aufgrund der Transportmittel (hier: Container) an einer einfachen Erkennbarkeit der Markenverletzung fehlt.

2. Allein der Umstand, dass Ware aus einem bestimmten Land kommt, aus dem besonders viele Plagiate exportiert werden (hier: China) kann eine Prüfungspflicht des Auslieferungsagenten nicht begründen. Vielmehr ist eine Störerhaftung des Auslieferungsagenten erst ab dem Zeitpunkt anzunehmen, wo er Kenntnis davon erhält, dass es sich um markenverletzende Waren handelt; insbesondere durch einen entsprechende Hinweis des Markeninhabers. Eine solche Kenntnis ist allerdings erst dann anzunehmen, wenn der Auslieferungsagent hinreichende Klarheit darüber hat, dass es sich tatsächlich um markenverletzende Ware handelt. Erst dann ist er verpflichtet, alles zu unterlassen, was dazu beiträgt, dass die Ware dennoch eingeführt wird.

3. Der Erhalt der Mitteilung des Zolls von der Beschlagnahme genügt insoweit nicht, wenn eine Beschlagnahme nur aufgrund des Verdachts der Markenverletzung erfolgt (Art. 1 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 VO EG 1383/2003).

4. Für eine Störerhaftung kraft bloßen Rechtsscheins (hier: aufgrund der Transportpapiere) besteht keine hinreichende Grundlage. Die Störerhaftung und die Zumutbarkeit von Prüfungspflichten knüpft an tatsächliche Umstände an, nicht an einen verursachten Rechtsschein. Dies gilt umso mehr, wenn der in Anspruch Genommene den Rechtsschein nicht in zurechenbarer Weise selbst gesetzt hat.

5. Streitigkeiten des gewerblichen Rechtschutzes hat der (Unterlassungs-) Gläubiger grundsätzlich abzumahnen, bevor er gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt. Eine Abmahnung ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn sie aus der objektivierten Sich des Gläubigers keinen Erfolg verspricht oder wenn sie für ihn (aus anderen Gründen) unzumutbar ist. Dies ist etwa der Fall, wenn eine vorherige Abmahnung aus Zeitgründen ausscheidet. Im Zeitalter von Fax und E-Mail dürfte dies die Ausnahme sein.

MIR 2007, Dok. 365


Download: Entscheidungsvolltext PDF

Bearbeiter: Thomas Gramespacher
Online seit: 06.10.2007
Kurz-Link zum Artikel: http://miur.de/1390

*Redaktionell. Amtliche Leit- und Orientierungssätze werden in einer "Anm. der Redaktion" benannt.

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